Symposium der Robert Bosch Stiftung
Gesundheitsversorgung muss auf die Region zugeschnitten sein
27. November 2010 | Gesetzliche Krankenversicherung Drucken | Weiterempfehlen |Mit einer Absage an Zentralisierungstendenzen in der Gesundheitspolitik findet ein Symposium “Die Gesundheitsversorgung von morgen” der Robert Bosch Stiftung in Kooperation mit der AOK Baden-Württemberg und der Bosch BKK in Stuttgart statt.
Das Gesundheitssystem habe nur dann eine Zukunft, wenn die Entscheidungen vor Ort fallen, sind sich die Experten einig – darunter auch Prof. Dr. med. Ferdinand M. Gerlach, Mitglied des Sachverständigenrats zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen. In einem Memorandum zum Abschluss der Veranstaltung wird eine stärkere Zusammenarbeit der Gesundheitsberufe gefordert – vor allem müsse die Politik die dafür notwendigen Gesetzesänderungen angehen.
“Die überwiegende Mehrzahl der Leistungen im Gesundheitswesen sind ortsgebundene Dienstleistungen, deren Planung und Umsetzung die regionalen Anforderungen, Bedingungen und Möglichkeiten zu berücksichtigen haben”, so Dr. Almut Satrapa-Schill, Bereichsleiterin Gesundheit und Humanitäre Hilfe der Robert Bosch Stiftung. Dies passe nicht zu den jüngsten Reformgesetzen, die wesentliche Elemente des Gesundheitswesens zentralisieren und damit dem Einflussbereich jener entziehen, die die Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen und zu leisten haben.
Es seien heute je nach Region Unter-, Über- und Fehlversorgung festzustellen. Frau Dr. Satrapa-Schill: “Nicht nur die regionalen, sondern auch die Bedingungen einer Gesellschaft des längeren Lebens sind dabei zu berücksichtigen. Die Bedürfnisse der Patienten ändern sich – für einen hochbetagten Patienten kann die Pflegefachkraft wichtiger sein als der Arzt. Die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung muss vor Ort geplant und gestaltet werden.”
Zu diesem Schluss kommt auch Prof. Dr. med. Ferdinand M. Gerlach vom Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen, der in seinem vorgelegten Zukunftskonzept feststellt: “Ein sinnvoll vernetztes Gesundheitssystem muss die regional sehr unterschiedliche Bevölkerungsentwicklung und die vor Ort konkret möglichen Versorgungsstrukturen berücksichtigen. Dies geht nur, wenn möglichst viele Entscheidungen in der Region getroffen werden können.”
“Wir brauchen Gesundheitskonferenzen auf Kreisebene”, fordert daher Dr. Rolf Hoberg, Vorstandsvorsitzender der AOK Baden-Württemberg. In ihnen sollen Kommunen, Krankenkassen, Ärzteverbände und Patienten vertreten sein. Ihre Aufgabe: frühzeitig den sich ändernden Bedarf ermitteln und entsprechende Lösungen erarbeiten. Dazu müssen alle Beteiligten ihren Beitrag leisten. Dennoch dürfe der Wettbewerb unter den Kassen nicht eingeschränkt werden. “Das Ergebnis darf kein Einheitsbrei sein. Die Krankenkassen müssen stärker in die Lage versetzt werden, Verträge direkt mit Leistungsanbietern, wie beispielsweise auch Krankenhäusern, zu schließen. Nur so kann ein Wettbewerb entstehen, der Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen befördert.”
Dass Kompetenzen und Strukturen im Gesundheitssystem neu durchdacht werden müssen, erläuterte Bernhard Mohr, Vorstand der Bosch BKK, am Beispiel der “Patientenbegleiter”, einem Projekt der Bosch BKK. Aufgabe der Patientenbegleiter ist es, “auf einfache und unbürokratische Weise schwer kranke Patienten besser zu betreuen”, so Bernhard Mohr. Sie koordinieren in Zusammenarbeit mit niedergelassenen Ärzten und Kliniken die Versorgung und übernehmen Aufgaben, für die der Arzt häufig nicht ausreichend Zeit hat. Dadurch stellen sie sicher, dass der Patient nach einem Klinikaufenthalt zu Hause gut versorgt ist. Wie eine dreijährige wissenschaftliche Studie belegt, sind Patienten, die von Patientenbegleitern unterstützt werden, qualitativ besser versorgt und zufriedener. Gleichzeitig verbessert sich auch die Wirtschaftlichkeit der Versorgung.
Mit einem 20-Punkte-Memorandum zur “Kooperation der Gesundheitsberufe” wird das Symposium enden. Ohne die Zusammenarbeit aller geht es nicht vorwärts in der Gesundheitspolitik, sind sich die Experten einig. “Wir brauchen endlich eine neue Kultur des Zusammenarbeitens, der es gelingt, die gegenwärtigen Hemmnisse im Haftungsrecht, in den Qualifikationsstrukturen und dem berufsständischen Denken beiseite zu schieben”, so Prof. Dr. Adelheid Kuhlmey, Charité – Universitätsmedizin Berlin, die das Memorandum beim Symposium vorstellt.
Da die gesetzlichen Rahmenbedingungen den derzeitigen Zustand zementieren, fordern die Unterzeichner entsprechende Gesetzesänderungen. Die verschiedenen Berufsausbildungen sollen vernetzt und interdisziplinäre Forschung gefördert werden. Die Unterzeichner wollen zudem die Rolle der Kommunen in der Planung der Gesundheitsversorgung stärken und regen die Einberufung eines “Berufegipfels” sowie einer Enquete-Kommission an: “Interdisziplinarität muss im deutschen Gesundheitswesen strukturell etabliert und in das berufliche Selbstkonzept jedes einzelnen Mitarbeiters integriert werden.”
Damit eine umfassende Versorgung der Patienten weiterhin gewährleistet werden kann, muss aus meiner Sicht das medizinische Assistenzpersonal, insbes. das Krankenpflegepersonal, erheblich besser fachlich qualifiziert werden,. Um besonders im ländlichen Raum die Gesundheitsversorgung gewährleisten zu können, ist neben dem Patientencoaching eine med. Versorgung und Betreuung durch das exam. Pflegepersonal ergänzend erforderlich. (Modell Schwester AGNES reicht keinesfalls aus).
Weiterhin eine bessere Verzahnung medizinischer Leistungen von niedergelassenen Ärzten und Kliniken mit einer Qualitätskontrolle. Die Bevölkerung muss ebenfalls mehr in die Pflicht genommen werden. Es kann nicht angehen, dass ärztliche Anweisungen ignoriert werden und dann auf Kosten der Gesellschaft Spätfolgen therapiert werden müssen. Die Aufgabe der Politik wäre eine breite Gesundheitspräventation. Angafangen in Kindergärten, über Schulen bis zu Medienkampangen.